"Trump lässt keine Gelegenheit aus, die verhasste EU zu demütigen"

Beim Treffen zwischen dem US-Präsidenten und Selenskyj gibt es keine konkreten Zusagen. Für internationale Medien wirft der nächste Trump-Putin-Gipfel seinen Schatten voraus. Und der lässt nichts Gutes erahnen.
Im Video: Trump verweigert Ukraine wohl die Tomahawks
La Repubblica (Italien): "Trump spielt die Rolle des Unparteiischen, nicht die des Verbündeten. Kiew wollte Zugeständnisse vermeiden und strebte wirtschaftliche Zusammenarbeit, die Beteiligung von US-Unternehmen am Energiesektor und an den Häfen in der Ukraine sowie große Abkommen über die militärische Zusammenarbeit an. Und die Verschärfung der Sanktionen. Träume, die unerfüllt bleiben. All dies diente übrigens dazu, Putin an den Verhandlungstisch zu bringen.
Deshalb gibt Selenskyj in den bilateralen Verhandlungen das wichtigste Thema nicht auf: die Sicherheitsgarantien, die Amerika ihm nicht gibt. Starke, verbindliche Garantien der USA, die die Bedenken Kiews gegenüber einem schmerzhaften Frieden mildern würden."
El Mundo (Spanien): "Das Treffen zwischen Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus stand in krassem Gegensatz zu Trumps Versuch vom Februar, seinen ukrainischen Kollegen öffentlich zu demütigen. Im Gegensatz zu jenem wahnwitzigen Auftritt, bei dem er einen Großteil der russischen Propaganda wiederholte, schien Trump diesmal gegenüber Selenskyj aufgeschlossener zu sein, obwohl sich aus seinen Äußerungen gegenüber der Presse keine tatsächliche Kehrtwende zugunsten der Ukraine herauslesen lässt.
Einerseits sagte er nicht zu, die Tomahawk-Raketen zu liefern, worum Selenskyj ihn dringend bittet, um Druck auf Moskau auszuüben. Andererseits zeigte er sich überzeugt, dass der russische Autokrat "den Krieg beenden will", ein Ziel, das er bei dem Treffen, das beide in zwei Wochen in Budapest abhalten werden, vorantreiben will. Diese Zusammenkunft ist sehr beunruhigend, da es auf europäischem Boden und konkret unter der Regierung von Viktor Orban, einem klaren Verbündeten Putins, stattfinden wird.
Nach seinem internationalen Erfolg mit der Waffenruhe im Gazastreifen scheint Trump ein Signal zu senden, dass der Konflikt enden könnte. Doch sein unberechenbares Wesen erfordert äußerste Vorsicht. Vor allem, weil Putins Expansionsstreben kaum zu bremsen zu sein scheint. Weder die Ukraine noch Europa können eine Einstellung der Kämpfe um jeden Preis akzeptieren: In diesem Krieg stehen unsere Werte und unser eigenes Überleben auf dem Spiel."
The Times (Großbritannien): "Die Ankündigung von Präsident Trump, dass er sich mit Präsident Putin in Budapest treffen wird, um über die Beendigung des "unrühmlichen" Krieges in der Ukraine zu sprechen, gibt dem Dialog über die Zukunft des Landes eine neue Wendung. (...)
Vieles ist unklar. Sieht Trump seinen Erfolg bei der Vermittlung eines Waffenstillstands in Gaza als Bestätigung dafür, dass seine persönliche Intervention und Autorität Konflikte beenden kann, die mit konventioneller Diplomatie nicht gelöst werden konnten, egal wie hartnäckig sie auch sein mögen? Hat er irgendwelche Signale erhalten, wonach der russische Präsident möglicherweise entgegenkommender oder aufrichtiger sein wird als beim Gipfeltreffen in Alaska, das hinsichtlich eines Bekenntnisses Russlands zur Beendigung des Krieges weithin als erfolglos betrachtet wurde?
Und war der Vorschlag, dass die USA Tomahawk-Raketen liefern könnten, ein Signal für eine zunehmende Unterstützung der Ukraine und für die Verärgerung über die Unnachgiebigkeit Russlands oder lediglich eine Drohung, um Putin zurück an den Verhandlungstisch zu bringen?
Ebenso wenig ist klar, ob Putin glaubt, Trump ein zweites Mal manipulieren zu können, um eine Lockerung der Sanktionen und eine Neugestaltung der Handelsbeziehungen zwischen den USA und Russland zu erreichen – was Moskau dringend benötigt –, ohne Zugeständnisse hinsichtlich seiner Forderungen machen zu müssen, wonach die Ukraine neutralisiert, entwaffnet, aus der Nato ferngehalten und gezwungen wird, alle bereits im Krieg verlorenen Gebiete abzutreten."
De Telegraaf (Niederlande): Für die Europäische Union ist diese Ortswahl ärgerlich. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán widersetzt sich seit Jahren Sanktionen gegen Russland und EU-Hilfen für die Ukraine. Ungarn ist eines der wenigen europäischen Länder, das weiterhin russisches Öl und Gas importiert, eine wichtige Finanzierungsquelle für die russische Kriegswirtschaft.Orbán glaubt nicht an den Kurs der EU. Er plädiert für einen Dialog mit Russland und behauptet, Europa sei von einer "Kriegspsychose" erfasst, während Ungarn "eine Insel des Friedens" sei. (...)Ist Brüssel also gegen Friedensgespräche zwischen Trump und Putin? Von Begeisterung kann in der EU jedenfalls keine Rede sein. In der EU-Kommission heißt es, man habe noch keine Bestätigung, dass es tatsächlich zu dem Treffen kommen wird. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ließ immerhin über einen Sprecher erklären, dass sie ein Treffen "begrüßt", wenn es "zu einem gerechten und dauerhaften Frieden führen würde".Vorerst plant Brüssel, den Druck auf Russland deutlich zu erhöhen. Am kommenden Montag werden die EU-Außenminister erneut über ein neunzehntes Sanktionspaket beraten. Und am Donnerstag werden die Staats- und Regierungschefs auf dem EU-Gipfel über die Verwendung eingefrorener russischer Gelder zur Unterstützung der Ukraine sprechen. Die Milliarden könnten zur Stützung des Haushaltsdefizits von Kiew, für Waffenankäufe und den Wiederaufbau verwendet werden."
Tages-Anzeiger (Schweiz): "Die Wahl hat natürlich Methode. Trump schätzt Ungarns Viktor Orbán als Verbündeten und lässt generell keine Gelegenheit aus, die verhasste EU vor der Welt zu demütigen. (…) Frieden in der Ukraine ist aus Trumps Sicht eine Sache, die er mit Putin über die Köpfe der Europäer hinweg ausmacht, unter Supermächtigen. (…)Statt zu klagen, würden die Europäer besser daran tun, dort mitzugestalten, wo ohne ihren Beitrag Fortschritt nicht möglich ist. Dauerhaften Frieden wird es jedenfalls weder in Nahost noch in der Ukraine geben, ohne dass Europa politisch, wirtschaftlich und humanitär mitwirkt. Trump hin oder her. (…)Seit die USA unter Trump ihre finanzielle Unterstützung Kiews eingestellt haben, tragen die Europäer diese Last allein - und zwar auf gleichem Niveau wie zuvor zusammen. Europa hat begriffen, dass der Ausgang dieses Kriegs die Sicherheitslage auf dem eigenen Kontinent auf Jahrzehnte hinaus prägen wird.Dieses Engagement verleiht Europa Macht, selbst wenn es nicht mit Trump und Putin am Tisch sitzt. Die Europäer vertreten in den Verhandlungen aus Eigeninteresse auch die Interessen der Ukraine - auch gegen Trump, falls dieser Wolodymyr Selenskyj an Putin verraten möchte. Der Amerikaner wiederum weiß, dass er es sich angesichts einer kritischen amerikanischen Öffentlichkeit nicht leisten kann, die Ukraine ganz fallen zu lassen. Er braucht die Europäer als Sicherheit und Garantie."
FOCUS